Zweierlei Geschichte: Ernst Thälmann in Schwerin

Ausstellung „Ernst Thälmann in Schwerin – 50 Jahre DEFA Film AUS MEINER KINDHEIT“
Es begann im Januar 2025. Drei Kultureinrichtungen aus Schwerin kamen zusammen: das Filmkunstfest MV, das Kulturforum Schleswig-Holstein-Haus und die Sammlung der Museen der Landeshauptstadt, verortet am Freilichtmuseum für Volkskunde in Schwerin-Mueß. Der Plan: eine Ausstellung rund um eine Fotosammlung von den Dreharbeiten eines DEFA-Films aus dem Jahr 1975 in Schwerin. Fachlich und unterstützend begleitet von Kulturjournalist Axel Seitz (NDR) und der DEFA-Stiftung, die den kulturellen Filmschatz der DDR-Filmproduktion sorgsam hütet und verbreitet.
Ich hoffe, dass ich alle beteiligten Institutionen korrekt benannt und gewürdigt habe. Die Arbeit an der Ausstellung aber war wenig formell, schnell waren wir beim „Projekt-Du“ im „Team Thälmann“.
Die große Fragestellung: Wie nähert man sich einem Polit-Idol einer vergangenen Epoche, wenn man einen Film und viele Fotos hat? Die Person Ernst Thälmann rückte dabei in den Hintergrund, Hauptdarstellerin war zunächst die kleine Landeshauptstadt Schwerin, die das große Hamburg der Jahrhundertwende darstellen sollte. Der Pfaffenteich war Binnenalster, auf dem Schweriner Altstädtischen Markt wurde in Art einer Theaterkulisse ein Brunnen der Hansestadt nachgebaut.
„Den Brunnen wollten viele Schweriner behalten, aber das war doch bloß Pappmaché, das hätte keine drei Regengüsse überstanden“, verriet Regisseur Bernhard Stephan in einem Telefongespräch. Während der Filmaufnahmen hielt der Brunnen, so viel ist dokumentiert.
Jugend zwischen Vater, Wilhelm Tell und Freiheitsstreben
Der Film Aus meiner Kindheit zeigt die Jugend von Ernst Thälmann: Arbeiten im Fuhrunternehmen seines Vaters, Begegnungen mit dem Theater (Wilhelm Tell), auch mit Mädchen, Unabhängigkeitsstreben, auch Trotz, der Ungerechtigkeit unter den Arbeitern im Hamburger Hafen, Begegnungen mit Gewerkschaften, frühes Engagement und Fürsprache für die arbeitenden Kollegen.
Die Dreharbeiten im Jahr 1974 hat Ernst Höhne dokumentiert, damals Fotograf der Schweriner Volkszeitung. Dabei richtete er sein Augenmerk auch auf die Begegnungen zwischen Filmteam, Darstellenden und den Menschen am Rande des inszenierten Geschehens gerichtet. Höchst spannende Momente zwischen Darstellern in preußischen Uniformen und Volkspolizisten finden sich in den Aufnahmen, ebenso wie das Interview einer jungen Journalistin – 70er-Jahre-Kleidung, wilde Frisur – und einer älteren Komparsin in Kleidung der Jahrhundertwende.
Für das Filmkunstfest MV durfte ich die Ausstellung organisatorisch begleiten, an der Auswahl und Platzierung der Bilder mitwirken und Texte mit allen Kooperationspartnern abstimmen. Bei vielen Parteien nicht immer übersichtlich.
Vernissage im Schleswig-Holstein-Haus
Am 3. April erblickte in der Kleinen Galerie im Schleswig-Holstein-Haus eine Ausstellung das Licht der Welt, die unbedingt sehenswert geworden ist. Die Eröffnung war gut besucht, der Saal und der angrenzende Galerieraum gut gefüllt – ich untertreibe hier. Sekt, Prost!
Zuvor hatten alle Beteiligten des „Team Thälmann“ die Gäste begrüßt und wurden für ihren Beitrag gewürdigt. Ich durfte dem Darsteller von 1974, Michael Kröger als Ernst Thälmann, einige Fragen stellen. Ja, obwohl 51 Jahre her, sind die Erinnerungen noch sehr gegenwärtig. Die Ohrfeige von „Vater“, Schauspieler Norbert Christian, war seinerzeit eine echte. Die wirkt noch nach. Doch erzählte Michael Kröger mit solch einer Verve von den Dreharbeiten, begrüßt wurde er im Saal mit einem kräftigen Schulterklopfen und dem Ausruf „Thälmann!“, dass man ihm den Stolz ansieht, das große Idol verkörpert haben zu dürfen. Auch wenn der Herr Thälmann „auch nur ein ganz normaler Jugendlicher“ war, so Michael Kröger.
Danke an das ganze Team Thälmann für die Realisierung der Ausstellung, eine historische Dokumentation auf zweierlei Zeitebenen.
Die Ausstellung „Ernst Thälmann in Schwerin – 50 Jahre DEFA-Film Aus meiner Kindheit“ ist noch bis zum 11. Mai zu sehen, Di–So 11–18 Uhr, im Kulturforum Schleswig-Holstein-Haus, Puschkinstraße, Schwerin.
Der ganz frisch digitalisierte Film AUS MEINER KINDHEIT, DDR 1975, Regie Bernhard Stephan, ist auf dem 34. FILMKUNSTFEST MV zu sehen, am Mittwoch, den 07.05.2025, um 19:00 Uhr (Gäste sind Regisseur Bernhard Stephan und Darsteller Michael Kröger) sowie am Sonntag, den 11.05., um 14:15 Uhr im Capitol, Schwerin.
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