Festivalwoche, Filmgespräche und Stapelabarbeiten – Mein Rückblick auf das Filmkunstfest MV

Festivalwoche, Filmgespräche und Stapelabarbeiten – Mein Rückblick auf das Filmkunstfest MV
Filmgespräch zu "Ich sterbe. Kommst du?", Regisseur Benjamin Kramme mit großem Team, Foto: David Harms

Vom 6. bis 11. Mai verwandelte sich Schwerin wieder in ein kleines Wunderland für Cineast*innen, Filmschaffende und alle, die das Kino für mehr lieben als nur den Duft von frischem Popcorn. Es war Filmkunstfest MV im Festivalkino Capitol, die 34. Auflage.

Ich durfte in diesem Jahr bereits im Vorfeld Teil des Festivalteams sein. Als einer der drei Programmer war ich für zwei Festivalreihen zuständig, die Reihe NDR-Spezial und die DEFA-Reihe, zu der auch eine Ausstellung im Schleswig-Holstein-Haus gehörte. In meinen Aufgabenbereich fiel, neben dem Sichten der Filmbeiträge, das Schreiben und Beschaffen sowie Einpflegen von Katalogtexten, der Kontakt zu den Partnern der Reihen, das waren in meinem Fall die DEFA-Stiftung und der NDR in Hamburg und Schwerin, die Organisation der Abspielmedien, die Einladung von Filmgästen, die Kommunikation der Termine und der Anreise. Und manchmal auch die ganz spontane Organisation eines Serverzuganges, wenn ein Schnittmeister mit Festplatte vor dem Festivalbüro stand und einen Filmbeitrag persönlich vorbeibringen wollte. Klingt überschaubar, zeitweise standen aber fünf Dinge an, alles dringend und alles gleichzeit.

In der Festivalwoche war ich zudem als Gästebetreuer und Moderator von Filmgesprächen im Einsatz – und, der Doppelrolle geschuldet, manchmal auch als rasender Kartenkurier mit leicht verschwitztem Hemd unterwegs.

Vorhang auf für großes Kino!

Und dann: Vorhang auf zum Filmkunstfest! Für viele Festivalgäste besteht ein Filmfestival aus Filmeschauen, dem Schlendern zwischen den Kinosälen, am roten Teppich stehen und auf prominente Filmgäste lauern, gehobener Plauderei und dem Absacker am Abend im Festivalclub. Doch die Innenansicht im Festivalteam ist eine andere: Zeitplan im Blick behalten, der Technik die Daumen drücken, spontan Dinge organisieren, die nicht im Plan standen, Informationen zusammentragen, Premierenblumen suchen, Ablaufänderungen koordinieren, Gäste begrüßen und Eintrittskarten beschaffen. Und parallel die wichtigsten Infos für das nächste Filmgespräch recherchieren und diese später parat haben.

Es konnte schon mal passieren, dass man mit dem Kopf noch bei organisatorischen To-dos war, während man auf der Bühne bereits die nächste Frage an ein junges Filmteam richtete. Und wenn man Pech hatte – oder Glück – standen einem im Filmgespräch plötzlich 15 Personen gegenüber, die alle etwas zum Film zu sagen haben: von der Schauspielerin, die auch eine Tatort-Kommissarin spielt, bis zur „helfenden Hand“ der Filmproduktion. Und alle hoffen (zurecht) auf ein gutes Gespräch. Das Publikum möchte natürlich ebenfalls beteiligt sein. Das bedauerliche: die Zeit die Gespräche war limitiert, egal ob ein Gast oder 15.

Wie führt man ein gutes Filmgespräch?

Seit mehreren Jahren darf ich für das Filmkunstfest MV Filmgespräche führen. Das heißt. im Anschluss an einen Film mit Gästen, meist Regisseur*in, Darstellende, aber auch andere am Film Beteilgte vor dem Publikum zum Film zu befragen. Aus meiner Sicht gelingt ein Filmgespräch, wenn eine lockere Plauderei entsteht, ich gute Stichworte geben kann, vielleicht auch eine unerwartete Frage stelle, und das Publikum interssiert ist udn ebenfalls Lust zum fragen hat. Es sind aber nicht immer die Filmgespräche die besten, von denen ich im Vorfeld erwarte, dass sie einfach werden.

Doch wie genau gelingt ein gutes Filmgespräch? In jedem Fall: gut vorbereitet sein. Noch besser: alles Wichtige recherchieren, sich gut einprägen, es dann aber wieder vergessen und einfach loslegen. Mit einer Frage, die obenauf liegt, aber doch nicht zu offensichtlich ist, gleichzeitig die Stimmung im Saal mitnimmt. Ich versuche, zunächst eine Verbindung zu den Gästen aufzubauen, ohne zu sehr das zuvor Gesehene zu deuten. Fragen zu stellen, die keine Einführungen sind, sondern Gesprächsräume öffnen. Stichworte zu geben, die Raum lassen. Nicht bewerten, sondern entdecken. Das gelingt mir mal besser, mal weniger gut – aber wenn es funktioniert, entsteht ein gewisser Zauber, das sind dann meine besonderen Festivalmomente. Das Feedback ist glücklicherweise meist positiv.

Ein Highlight in diesem Jahr war für mich das Gespräch mit der Schauspielerin Fritzi Haberlandt (Film „Wilma will mehr“) und das Filmgespräch mit dem Team von „Ich sterbe, kommst du?“ (15 Gäste vom Filmteam im Saal), einem berührenden Film von Regisseur Benjamin Kramme, auch wenn ich dafür gerne mehr Zeit gehabt hätte.

Besonders herausfordernd: die Moderation des Kurzfilmblocks aus Mecklenburg-Vorpommern – sieben Filme, sieben Themen, fünf Gespräche in zweieinhalb Stunden. Eine gute Gelegenheit zum Lockerreden und auch zum Improvisieren.

Festivalroutine

Auch, wenn niocht alles planbar ist, in der Festivalwoche, irgendwie klappt dann doch immer alles. Aber eine halbe Stunde Ruhe an einem Festivaltag ist schon besonderer Luxus. Ab Tag drei meldete sich der Schlafmangel, und am vorletzten Festivaltag bemerkte ich ganz plötzlich: Ups, schon fast vorbei! Wo waren nur all die Festivaltage hin? Kaum versieht man sich, steht die Abschlussgala mit Preisverleihung an, der Festivalsonntag ist da – und das Filmfest ist rum.

Ein paar Tage dauerte die Nacharbeit, eine Auswertung im Team stand an, auch das große Verabschieden. Und ab Mitte Mai gingen die meisten für den Rest des Jahres wieder getrennte Wege.

Nach dem Festival grüßt der Arbeitsalltag: Stapelabarbeiten

Nach dem Festival ploppten all die Dinge wieder auf, die man über Wochen nur am Rand im Blick hatte. Auf dem Schreibtisch lag ein virtueller Stapel. Das Fach „später erledigen“ war übervoll: Kundenaufträge, Buchprojekte, Webseitenpflege. Was dann kam, nenne ich liebevoll Stapelabarbeiten. Das klingt freundlicher als „Überforderung“ – und lässt sich immerhin geordnet in kleinen Portionen abtragen. Sortiert nach Priorität und Attraktivität der Aufgabe.

Zwei Wochen später steht noch immer ein kleiner Rest in der imaginären Ablage. Joggen war ich auch schon lange nicht mehr. Und ein Ausflug an die Ostsee steht ebenfalls mal wieder an.

Aber: So intensiv und anstrengend die Zeit auch war, es war schön, wirklich schön.

Ein Filmfestival ist ein Kraftakt. Die Vorbereitung, für mich in Teilzeit, die Festivalwoche in Vollzeit-plus-Nachtschicht. Und trotzdem: Schwerin ist in dieser Woche besonders. Die Stadt atmet Film. Das Publikum ist offen, das Capitol rappelvoll, die Stimmung erstaunlich gelassen. Und das Team? Verlässlich, hilfsbereit, fehlertolerant – denn im Eifer des Festivals geht nie alles glatt, dafür haben aber alle Beteilgten meistens Verständnis.

Danke, Schwerin. Danke, Filmkunstfest MV.

Und ich bin dankbar, Teil dieses Teams gewesen zu sein. Auch als einer der Kleineren. Oder vielleicht gerade deshalb. Denn ein Filmfest funktioniert nur, wenn viele mithelfen – in der Technik, im Kinosaal, im Vorführraum, bei der Gästebetreuung, der Jury-Betreuung, beim Empfang, im Programm, am Infotresen, am Einlass, im Foto-Team, im Presse-Team, beim Protokoll, bei allen Partner*innen und Unterstützer*innen, und, und, und …

Und jetzt: weiter Stapelabarbeiten. Und dann – endlich – joggen. Oder am Wochenende an die Ostsee. Oder doch erst zu Pfingsten?

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