Storytelling geistert seit einigen Jahren durch die PR-Fachwelt und scheint das neue Marketing Zauberwort (aka Buzzword) zu sein.
Aber: was genau ist denn dieses Storytelling?
Wie könnte eine Definition des Storytelling überhaupt lauten? Versuch einer medienübergreifendenden Definition:
Wie kam ich zum Storytelling?
Am Anfang einer Geschichte steht zunächst die Einführung der Hauptperson. Ich gehe in diesem Beitrag von mir und meinen Begegnungen mit dem Storytelling aus.
Wie kam ich zum Erzählen? Das Geschichtenerzählen oder das Storytelling hat mich durch viele Lebensphasen begleitet. Als Naturwissenschaftler habe ich von Hause aus wenig mit dem Fabulieren und Erzählen zu tun. Im Physikstudium geht es um überprüfbare Fakten und deren objektives Beschreiben, aber …
Storytelling im Improvisationstheater
… vielleicht gerade deshalb suchte ich neben dem Studium einen kreativen Ausgleich und fand ihn beim Improvisationstheater. Das ist die Kunst gemeinsam mit anderen auf die Bühne zu gehen und nach Vorschlägen aus dem Publikum im Moment eine Geschichte zu entwickeln. Das habe ich beim Gorilla-Theater in Berlin gelernt und anschließend mit mehreren Gruppen umgesetzt.

Die Zuschauer und auch die Spielerinnen und Spieler spüren ganz schnell, ob eine Geschichte funktioniert oder nicht.
Zu einer guten Geschichte gehört (mindestens) eine Figur, die offen für Veränderung ist und (mindestens) eine aufgeworfene Frage, die im weiteren Verlauf beantwortet wird. Wenn verschiedene Erzählstränge in einen Zusammenhang gebracht werden, sind sie miteinander verbunden. So entsteht ein Sinn und das Publikum weiß, weshalb die Geschichte erzählt wurde.
Improtheater: Eine Geschichte entsteht dann, wenn das Erzählte einen Sinn ergibt.
Storytelling in Kurzgeschichten
Später schrieb ich kurze Geschichten für eine Lesebühne. Der Ablauf war in etwa so, wie auf einem Poetry Slam, nur ohne den Abstimmungsteil. Ich schrieb kurze pointierte Texte, die für den Vortrag vor Publikum gedacht waren. Auch hier mussten die Geschichten einen Sinn ergeben.

Ein humoristisches Element entsteht zudem aus dem Aufbau eines Spannungsbogens und dem Brechen von Erwartungen. Eine gute Erzählung spielt also auch mit der Erwartung des Publikums, darf sie zum Teil erfüllen, aber auch auf einen anderen Weg führen.
Lesebühne: Eine gute Geschichte baut Erwartungen auf und bricht diese (teilweise).
Storytelling im Film
Später arbeitete ich mehrere Jahr für ein Filmfestival. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in der Programmredaktion und moderierte Filmgespräche.
Im Film ist das Storytelling wesentlich komplexer, da neben dem Drehbuch auch die technischen Gewerke der Kameraführung, der Beleuchtung und des Schnitts sowie die Umsetzung der Regie und der Schauspielerinnen und Schauspieler am Set für das Endprodukt eine Rolle spielen. Ein gutes Drehbuch ist dabei Voraussetzung für einen guten Film, aber keine Garantie.

Für den Film ist dabei zwischen Story und Plot zu unterscheiden. Der Plot ist die Handlung, die Story die Geschichte. Die Handlung ist eine Aneinanderreihung von Ereignissen, die Geschichte verbindet alles und stiftet einen Sinn. So sagt der Regisseur, Drehbuchautor und Film-Produzent Martin Scorsese:
The plot it what happens. The story in a movie, on the other hand, is why it happens, and how.
Storytelling im Blog
Schon in den frühen 2000er Jahren begann ich das Bloggen. Ich schrieb auf eigenen Blogs über Improvisationstheater und das Leben ganz allgemein, als Gastautor Reiseberichte über das Geocaching und für das leider nur kurz aktive Blog Schwerin-Schwerin.
Meine Blogartikel umfassten das große Spektrum von kurzen Gedankennotizen oder Zustandsmeldungen bis zum umfassenden Bericht über eine dreiwöchige Radtour.
Beim Bloggen liegt die Story im wesentlichen in der übergreifenden Dramaturgie mehrerer Artikel oder wiederkehrender Blogrubriken. Eine kurze Gedankennotiz erzählt noch nicht unbedingt eine Story im Sinne von Sinnschöpfung. Regelmäßige kurze Beiträge ergämzt durch Links und längeren Beiträgen hingegen schon.
Das Internet hat mit der Hypertext Markup Language HTML die klassische lineare Erzählform der Buch- bzw Zeitungsseite gebrochen. Das Blog und später Soziale Medien haben es mit der Timeline teilweise wieder eingefangen, doch nur bedingt. Querverweise, Links und Mash-Up sind hier Stilmittel.
Blogging: Storytelling bedarf der Dramaturgie, um ihre ganze Sinnstiftung zu entfalten.
Storytelling in der Unternehmenskommunikation
In der Unternehmenskommunikation hat Storytelling für mich den Zweck, Inhalte, Themen, Lösungsvorschläge und Hintergrundberichte ergänzend zur bisherigen Information einer klassischen Internetseite zu liefern. Wer hat nicht nach einem DVD-Filmabend, der einen komplett in den Bann gezogen hat, alle Interviews, Trailer und gesamte Dokumentation des Making-Of verschlungen? Ein Bedarf an Geschichtenfutter ist also immer vorhanden!

Dieses mehr an Information kann das Storytelling für ein Unternehmen liefern, das beste Forum dafür ist ein Blog.
Anders als bei fiktiven Geschichten kommt es auf das Finden von authentischen Geschichten an. Die Frage lautet etwa: Aus welcher Perspektive kann ich mein Angebot beschreiben, um es meinem Publikum anschaulicher, nützlicher und sympathischer darzustellen.
Geschichten finden sich en masse:
- wie setzt Kunde S. aus L. das Produkt ein? Bei welchem Problem hat es ihm geholfen?
- wie ist der Unternehmensgründer vorgegangen, welche Hürden nahm er, wie kam er zum Erfolg?
- was genau macht Mitarbeiter/in K. in ihrer Abteilung?
Auch hier gilt: die Story entsteht im Spannungsbogen der einzelnen Episoden. Es darf Cliffhanger geben, Serien, Kolumnen, Rubriken. Anders als im Film gibt es kein definiertes Ende, denn die Story ist auch eine begleitende Erzählung in Echtzeit. Aus Unternehmenskommunikation wird so ein Unternehmensdialog (nach Meike Leopold: Coporate Blogs).
Natürlich ist es mit Aufwand verbunden, die Geschichte hinter den Kulissen zu erzählen. Es ist ein langfristiges Projekt und liefert (wahrscheinlich) keinen kurzfristigen, messbaren Erfolg. Deshalb scheuen viele den Aufwand. Aber dass es sich langfristig lohnt haben viele Beispiele gezeigt.
Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andern mal erzählt werden.
(Michale Ende)
Unternehmenskommunikation: Storytelling liefert das Making-Of. Es lädt ein zur Identifikation mit dem Hauptakteur: das Unternehmen, das Produkt, das Angebot.
Fazit:
Eine Story fesselt, weil sie einlädt, sich mit dem Charakter zu identifizieren. Jedes Medium hat dabei eigene Regeln für Storytelling. In einer abgeschlossenen Erzählung entsteht die Geschichte, und damit der Sinn, durch verbundene Elemente und eine Veränderung der Akteure.
Im fortlaufenden Storytelling, dazu gehören Blogs und die Unternehmenskommunikation, entsteht der Sinn durch eine übergeordnete Dramaturgie, die die Episoden verbindet.
2 Gedanken zu „Storytelling: Buzzword oder Neuland – eine Definition“